Hand auf's Herz - Menschsein ist nicht messbar
Menschsein lässt sich nicht in Zahlen und Statistiken festmachen. In einer Zeit wissenschaftlicher Dogmen - nur was messbar ist wahr, einer zunehmenden Digitalisierung - virtuelle Vernetzung ist der effizienteste Weg, einem enormen Leistungsdenken - nur wer leistet ist was wert, auf der einen Seite und eine teilweise abgehobene Spiritualität und Esoterik - alles ist Licht und Liebe, auf der anderen Seite ging uns etwas total verloren...
...DAS MENSCHSEIN
Mensch Sein - ist nicht messbar
Mensch sein ist total individuell und ziemlich unberechenbar. Wir stecken in einem ständigen Prozess von Lernen, Veränderung und Weiterentwicklung, sind morgen vielleicht schon ganz ein anderer als heute. Die Komplexität von Gefühlen, psychischen und geistige Vorgängen lässt sich schwer berechnen. Und wenn wir uns neben dem genialen aber doch trennenden Verstand wieder ein Stück mehr aufs Herz verlassen, spüren wir genau was gut oder schlecht für uns ist, auch ohne evidenzbasierte Untersuchung und statistischen Mittelwert.
Mensch Sein - lebt durch echte Verbundenheit, Berührung und Fürsorge
Als Mensch verfügen wir über ein angeborenes Fürsorgesystem und dem Wunsch nach persönlicher Zuwendung. Alle Säugetiere bringen unterstützungsbedürftige noch nicht ausgereifte Junge zur Welt, sind also auf Fürsorge und Verbundenheit angewiesen. Das ist tatsächlich überlebensnotwendig für uns. Daher steigt auch bei jeder Berührung das Wohlfühlhormon Oxytocin in unserem Körper an und der Organismus entspannt und beruhigt sich. Zahlreiche Studien belegen uns heute schon, dass soziale Isolation die Anfälligkeit für Herzkreislauferkrankungen, Depression und Krebs erhöht. Kein digitalisierter Prozess, ja nicht einmal ein Like auf Facebook, schafft den gleichen Anstieg des Kuschelhormons Oxytocin wie eine zärtliche Umarmung!
Mensch Sein - Verletzlichkeit und Fehler gehören dazu
Nicht umsonst sagen wir zum Trost zu anderen, "Irren ist doch menschlich". Warum sind wir dann so streng zu uns selbst? Unsere Erfolgs- und Leistungsgesellschaft lässt es nicht zu fehlbar zu sein. Sie verführt uns dazu unseren Wert an dem was wir tun, erreicht haben und besitzen zu messen. Das zwingt uns fast dazu, dass wir uns selbst auch keine Fehler erlauben und uns so in einer Spirale von Perfektionsdrang und Selbstverurteilung gefangen halten, um nur einigermaßen zu überleben. Oder aber wir machen andere klein, üben Macht aus, verurteilen, grenzen aus, um so unseren eigenen Selbstwert aufzupolieren. Die Folgen kennen wir: Angst, Konflikt, Konkurrenz und Hass auf der einen, Krankheit, Depression und Burnout auf der anderen Seite.
Mensch Sein - eingebettet sein in die natürlichen Prozesse des Leben
Und dieses Leben ist ein Leben, das von Schwierigkeiten und dunklen Seiten nicht verschont bleibt. Das gehört dazu. "Ich hab doch das Programm alles geht leicht und ohne Probleme gebucht, ich möchte bitte reklamieren" funktioniert nicht wirklich, weil das Leben eben beides beinhaltet, schöne und schwere Zeiten. Auch Krankheit und Tod. Die Verantwortung für Probleme abzugeben, sei es an Autoritäten, Eltern, Partner oder das Heil in höheren Sphären zu suchen hilft vielleicht kurzfristig. Aber die Gefahr dabei ist, den wirklichen Kontakt zu sich selbst, zur Erde, zum Körper und zu unseren Mitmenschen, eben zum MENSCHSEIN zu verlieren. Weder Spiritualität noch wissenschaftliche Beweisbarkeit oder das in unserer Kultur weitverbreitetet Leistungs- & Erfolgsstreben, sollten als Fluchtweg vor den Schwierigkeiten des Lebens genutzt werden. Die Nacht zu verdammen und nur den Tag zu huldigen widerspricht jeglichem natürlichen Prozess im Leben.
Spiritualität kann uns aber dabei helfen den Glauben an das Gute zu bewahren und auf etwas Größeres, das uns jenseits der Auf und Abs des Lebens zusammenhält, zu vertrauen. Wissenschaft hilft uns zu Fokussieren und neue Erkenntnisse zu gewinnen und die Digitalisierung hilft uns vielleicht Zeit für die wirklich wichtigen Dinge zu gewinnen. Schaffen wir es, dem allen Raum zu geben?Jetzt wäre eine gute Zeit dafür genau darüber nachzudenken.
Mensch Sein – Mitgefühl und Hausverstand nützen
Rene Descartes "cogito ergo sum - ich denke also bin ich" hat uns in die Irre geführt. Die Überbetonung unserer Verstandes hat uns den gesunden Umgang mit Gefühlen (also das, was uns lebendig sein lässt) vergessen lassen.
Das führt dazu, dass wir in Krisenzeiten von der Flut an Emotionen überwältig werden und entweder in die Angststarre verfallen oder in die Ratio flüchten, um vermeintlich "alles unter Kontrolle" zu halten. Das Verdrängte jedoch belastet die Seele und somatisiert sich mit der Zeit im Körper. Das zeigt uns dann, dass wir viel mehr sind, als nur "Denker". Denn wir Menschen besitzen schließlich zwei Organe, um die Welt um uns herum zu erfassen – den (Haus)verstand, der uns das rationale Denken ermöglicht und logische Erkenntnisse liefert und unser Herz, dass uns intuitiv spüren und mitfühlenlässt.
Ich möchte dazu anregen mit Mitgefühl und Liebe angesichts der Verletzlichkeit und Unvollkommenheit des Menschseins zu reagieren und anstatt auf mögliche unmenschliche Fehler der Vergangenheit zu zeigen, menschliche Ideen für eine gesunde Zukunft zu entwickeln. Wie kann das gehen? Nicht dadurch, dass wir das "Negative und Materielle" verleugnen oder alles „Spirituelle“ verurteilen. Die Religionen haben uns erzählt das alles irdische "Sünde" ist und die Erlösung nur im Himmel liegt. Die Wissenschaft erzählt uns, dass alles Nichtmessbare „Scharlatenerie“ ist und versucht durch Studien "die Wirklichkeit" zu finden.
Lassen wir uns von diesen Irrtümern nicht verführen und entdecken die „Erlösung“ und "die Wirklichkeit" in jedem Augenblick im hier und jetzt, in jeder Begegnung, in jedem glückvollem Moment UND in den Herausforderungen des Lebens.
Nachtrag 14.5.20
Diesen Artikel habe ich vor 2 Jahren geschrieben, er war damals schon passend, dass er aber so an Bedeutung gewinnt, hätte ich mir niemals träumen lassen! Aber ja, nun sind wir mitten drin in einem Wandel, ein Wandel, der uns ganz klar vor Augen führt wohin diese Unausgewogenheit führen kann. Es ist höchste Zeit diese Einseitigkeit wieder auszubalancieren, indem wir beginnen der Weisheit des Herzens mehr Raum zu geben und uns wieder mit Mit-Gefühl und Haus-Verstand aufeinander zu zubewegen. (Anstatt voneinander Angst zu haben). Emotionale Nähe und ein warmes Herz geht auch über Distanz. Und auch wenn wir diese Weisheit, die Fürsorge und Liebe unserer Herzen nicht in Zahlen messen können, sind sie für unser Überleben wichtig, da wir soziale Wesen sind. Sie sind sozusagen systemrelevant. Ganz besonders in Zeiten, in denen wir körperliche Nähe missen müssen und durch schwierige Herausforderungen gehen.
Nicht die, die laut schreien, nein die, die in diesen herausfordernden Tagen einen kühlen Kopf und ein warmes Herz bewahren sind für mich die wahren Helden und Heldinnen dieser Zeit!
"Nur wer die Herzen bewegt, bewegt die Welt" (Ernst Wiechert)
In diesem Sinne, von Herzen
Sylvia
© brainsisters, Sylvia Fischer, September 2018